Zur Begründung gibt die Stadtverwaltung Kolbermoor an, dass auf den Friedhöfen der Stadt die Anzahl der Erdbestattungen sinken würde. Die Anzahl der Urnenbestattungen steige dagegen (Vgl.: https://www.kolbermoor.de/Sachstandsbericht%20per%2031.07.2019.pdf) hingegen deutlich: „Mittlerweile lassen sich ca. 70 % der Verstorbenen einäschern.“
Die Zahl erscheint deutlich zu hoch gegriffen: in ganz Deutschland betrug die Einäscherungsrate 2017 nach Schätzungen des Bundesverbandes der Deutschen Bestatter gerade einmal 64%.
Festzustellen bleibt, dass es in der Bestattungskultur in Deutschland ein starkes Nord- Südgefälle gibt. In den eher katholisch geprägten süddeutschen Bereichen wird die Erdbestattung nach wie vor eine würdevolle Art der Verabschiedung bleiben.
Zitat des Geschäftsführers des Unternehmens „Schmid Bestattungen“ in Rosenheim, das auch in Kolbermoor eine Zweigstelle hat: „Insbesondere seit zehn bis 15 Jahren nimmt die Zahl der Feuerbestattungen stetig zu. Mittlerweile sind es laut Portner 60 Prozent im Freistaat. In Sachsen beispielsweise liegt die Zahl bei über 90 Prozent. Werden es in Bayern mehr werden? „Ich habe das Gefühl, die Zahl hier stagniert“, so Portner.“
Wir haben uns von der Stadtverwaltung die Sterbezahlen der letzten fünf Jahre eingeholt:
Jahr | Sterbefälle gesamt | Urnenbestattungen gesamt | Erdbestattungen gesamt | Urnenbestattungen Am Rothbachl | Erdbestattungen Am Rothbachl |
2014 | 194 | 98 | 66 | 25 | 12 |
2015 | 184 | 108 | 31 | 23 | 3 |
2016 | 212 | 88 | 59 | 28 | 12 |
2017 | 219 | 103 | 50 | 34 | 8 |
2018 | 240 | 91 | 44 | 23 | 4 |
Ø | 210 | 98 | 50 | 27 | 8 |
Ø | 100% | 47% | 24% | 13% | 4% |
Damit lässt sich feststellen, dass
bei durchschnittlich 210 Sterbefällen/Jahr
- 62 Bestattungen ( = 29% im Ø ) außerhalb Kolbermoors stattfinden,
- 98 Urnenbestattungen/Jahr im Bereich der Stadt Kolbermoor stattfinden,
- davon ca. 27 Urnenbestattungen/Jahr im neuen Friedhof „Am Rothbachl“.
Fakt ist:
Lediglich 47 % der Sterbefälle der letzten fünf Jahre in Kolbermoor werden in einem Krematorium verbrannt und in Kolbermoor in einer Urne bestattet.
Versucht man eine Bedarfsanalyse regional zu ermitteln und zieht die Einwohner von Stadt und Landkreis Rosenheim, Landkreis Traunstein, Landkreis Berchtesgadener Land, Landkreis Miesbach und Landkreis Mühldorf heran, kommt man auf eine Einwohnerzahl von ca. 816.268 Einwohner.
Die Sterberate in Deutschland liegt derzeit bei ca. 1,16 %.
Würde man die Angabe von 64% Einäscherungsrate im Jahr 2017 nach den Schätzungen des Bundesverbandes der Deutschen Bestatter heranziehen, ergäbe das eine Kremationsrate von ca. 6.060 Leichenverbrennungen/Jahr.
Fakt ist:
Das bestehende Krematorium in Traunstein hat eine Kapazität von 7.000 Verbrennungen/Jahr. Bei ca. 6.060 Urnenbestattungen/Jahr im oben genannten regionalen Kreis wäre die Anlage in Traunstein noch nicht einmal ausgelastet und würde den Bedarf vollkommen decken.
Die Behauptung im Sachstandsbericht der Stadt Kolbermoor, dass die Anlage „auf den regionalen Bedarf zugeschnitten werden und die Wege und mögliche Wartezeiten verkürzen soll“, kann also nur vor dem Hintergrund privatwirtschaftlicher Interessen nachvollziehbar sein.
Hat der Investor aus Traunstein eher expandierendes Interesse und könnte es sein, dass er sogar überregional anderen Krematorien eine Konkurrenz sein möchte?
Bei einem Krematorium in Kolbermoor und damit in sehr naher Lage zu Traunstein wäre es aus unserer Sicht bei Störfällen oder Nachrüstarbeiten in Traunstein leichter möglich, Transporte kurzfristig im eigenen Unternehmen wenige Kilometer nach Kolbermoor umzuleiten.
Das Krematorium in Traunstein ist bereits 18 Jahre (!) alt, wird jedoch im Sachstandsbericht als „Vorbild der geplanten Anlage auf dem Friedhof Am Rothbachl“ bezeichnet.
Auch ist laut Infobroschüre der Investorenseite bereits angedacht, in Kolbermoor später eine zweite Ofenlinie zu bauen, jedenfalls ist bereits im Entwurf der umbaute Raum äußerst großzügig und für weitere Öfen bemessen.
Ein kommunaler, öffentlicher Bedarf – für den sich ein BÜRGERmeister einsetzen muss – kann nicht, jedoch rein wirtschaftliche Gründe des Investors der Leichenverbrennungsfirma aus Traunstein erkannt werden