Bisher verstand ich nicht so ganz, warum die etablierten Parteien in Deutschland, besonders aber in den neuen Bundesländern, so viele Wähler an die AfD verlieren. Seit der Informationsveranstaltung der Stadt Kolbermoor am 17.09.19 ist es mir klarer: Die Politiker dieser etablierten Parteien setzen sich über ihre Wähler hinweg, machen ihr Ding, haben das Ohr nicht mehr am Wähler. Man fühlt sich als Bürger alleingelassen, man sitzt nicht mehr im Boot, wird nicht mehr wahrgenommen, bei politischen Entscheidungen nicht oder falsch informiert, man hat einfach keinen Draht mehr zueinander. Das macht ohnmächtig und man fühlt sich nutzlos und ausgestoßen. Der Auftritt wirkt leicht arrogant mit einem Schuss Selbstherrlichkeit, rhetorisch gut geschult wird alles niedergewalzt, was nicht ins Konzept passt. Zum Schluß ist man als Wähler wütend und mit dieser Wut geht man in die Wahlkabine, dann wird der Wahlzettel zum Denkzettel und das Kreuz ist an der falschen Stelle.
Dazu passt auch die Abwesenheit vieler Stadträte bei der Veranstaltung am 13.09.19, vielleicht auch aus Scham darüber, dass die Abstimmung über den Bau eines Krematorium im Stadtrat wie im nordkoreanischen Parlament ausgegangen ist. Wäre klug gewesen, wenn sich die Stadträte zur Diskussion gestellt hätten, vielleicht ein Bedauern, dass man wichtige Aspekte außer Acht gelassen hat, vielleicht aber auch ein Statement, dass man voll und ganz hinter dem Beschluss des Stadtrates steht. Aber Abwesenheit macht unantastbar, „wir geben uns mit euch nicht ab“.
Der Unterschied ist: Die Nicht-Befürworter dieser Verbrennungsanlage möchten gar nicht Recht haben, haben aber berechtigte Angst, dass sie Recht haben, die Befürworter des Krematoriums an diesem Standort setzen die rosarote Brille auf und wollen mit aller Macht Recht haben.
Fakt ist: Wenn man Schadstoffe nicht mißt oder messen kann, dann heißt das nicht, dass es keine Emissionen oder Gefährdungen gibt und das gilt bis zum Beweis des Gegenteils. Solange das nicht erfolgt ist, ist es höchste Fürsorgepflicht der Verantwortlichen, die Bürger vor möglicher Schädigung zu schützen. Wer das nicht macht, handelt grob fahrlässig.
Es ist nicht nachvollziehbar, warum sich der Bürgermeister gegen seine Bürger stellt und stattdessen ohne Not einem Investor die Steigbügel hält. (Auf der Internetseite der Stadt Kolbermoor informiert kurioserweise der Investor (EHG) über Fragen zum Bau eines Krematoriums, nicht wie zu erwarten ein unabhängiger Sachverständiger!) Denn wir brauchen definitiv kein weiteres Krematorium. In Bayern besteht schon die höchste Dichte in der Bundesrepublik, die Anlagen sind nicht ausgelastet. Der einzige, der von diesem Krematorium profitiert, ist der Betreiber und das auf Kosten der Anwohner. Hier soll gewinnmaximiert gearbeitet werden, Störfälle und Risiken werden kleingeredet oder negiert.
Fakt ist: Der Standort am Rotbachl ist denkbar ungeeignet, genauso wie der Platz neben dem Rathaus mit Anbindung an den Friedhof, Verwaltung, Parkhaus und Gastronomie, weil auch hier Anwohner der Gefährdung ausgesetzt wären. Auch Standorte im Norden, Westen oder Osten unserer Stadt sind abzulehnen, falls auch nur der Hauch einer Gefährdung für die anwohnenden Menschen bestehen würde.
Fakt ist: Der Verkehr in Kolbermoor ist schon längst am Limit, da klingt die Aussage wie ein Hohn, dass 30 Fahrzeuge zusätzlich (in Wirklichkeit werden es viel mehr!) keine Rolle spielen, ebenso wie der Vergleich mit vermehrtem Verkehrsaufkommen, wenn bei Aldi Sonderangebote verkauft werden.
Fakt ist: Aus Gründen der „Pietät“ müssen bei einem Störfall die Bypass-Klappen geöffnet werden, ansonsten halte ich dieses Wort bei dieser Diskussion für nicht angebracht.
Dr. Wolfgang Hefele